Spiral Dynamics – in aller Kürze

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EADB1F58-71E7-4B05-99BD-04BEFDE15617Spiral Dynamics ist ein Modell für die Bewusstseinsentwicklung der Menschheit, dass sich auf eine breite empirische Grundlage stützt. Die Theorie wurde erstmals von einem Psychologieprofessor namens Clare W. Graves formuliert und später von Don Edward Beck und Christopher C. Cowan ergänzt und fortgeführt.

Im Mittelpunkt stehen die sog. „Meme“. Mit Memen sind eine Art „psychologische DNA“ gemeint, also geistige Informationseinheiten, die sich durch das Denken fortpflanzen. Diese Meme treten in größeren Organisationseinheiten auf, die sog. „Werte-Mems.“ Wenn von Spiral Dynamic die Rede ist, sind häufiger diese übergeordneten Mems gemeint.

Sie werden dabei der Einfachkeit halber mit einer Farbe bezeichnet. Diese dient sozusagen als Code. Diese Mems teilen sich gemeinsame Grundannahmen, Schwerpunkte, Werte und dementsprechende Entscheidungs- und Handlungsmuster. Sie sind an sich weder schlecht noch gut, sondern bestimmen die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, nicht was er denkt.

Die Theorie geht davon aus, dass sich Bewusstsein – bestimmte Gedanken, Werthaltungen und dazu passende Verhaltensweisen – im Lauf der Menschheitsgeschichte in verschiedenen Etappen weiterentwickelt hat. Dabei wird die Entwicklung in der Form einer Spirale gedacht: Eine nächsthöhere Ebene schließt alle darunter liegenden Ebenen mit ein und integriert sie. Jede Ebene hat dabei ihre bleibende Berechtigung, auf die jeder Zeit wieder zurückgegriffen werden kann, soweit es die Umgebung nötig erscheinen lässt.

Die Entwicklung der Meme ist nach oben hin offen und verläuft von weniger komplexen zu komplexeren Systemen. Sowohl der einzelne als auch ganze Gesellschaften durchlaufen die Entwicklung von Mem zu Mem. Sie sind das Ergebnis der Wechselwirkung des Nervensystems und der Umgebung, an die sich das Denken anpasst. Deshalb können Menschen, die zur gleichen Zeit, aber an einem anderen Ort oder in gänzlich anderer Gesellschaft leben, ihren Schwerpunkt in ganz unterschiedlichen Memen haben. Neue Meme entstehen wellenförmig: Ein Mem steigt ab, das andere steigt auf.

Den wissenschaftlichen Hintergrund für diese Stufentheorie lieferte die Entwicklungspsychologie, die beobachtet hat, dass sich das Denken, die Wahrnehmung, die Wert, aber eben auch die Spiritualität eines Menschen im Laufe seines Lebens in typischen Mustern verändert und weiterentwickelt, wobei bei einer idealtypischen, gesund verlaufenden Entwicklung jeweils die nächsthöhere Stufe alle niedrigeren mit integriert – oder aber, gelingt das an einem Punkt nicht, Pathologien entstehen. Hierzu an anderer Stelle mehr.
Die bisherigen Meme pendeln auf der Spirale von einer starken Innenorientierung und Konzentration auf das „Ich“ zu einer starken Außenorierntierung und Komzentration auf das „Wir“, die Gemeinschaft, hin und her.
Sechs Meme zusammen bilden eine Gruppe. Die Autoren sprechen hier von First Tier für die ersten sechs Meme und von Second Tiers für die folgenden. Das gelbe Mem, die erste Stufe von Second Tier, ist das erste Mem, das den Wert und Sinn der anderen Meme erkennt und für sich stehen lässt, ohne diese abzulehnen oder zu bekämpfen.

Doch hier meine (äußerst) kompakte und grobe Kurzfassung der Meme:

Beige: das instiktive Mem. Es geht ums nackte Überleben und die Erfüllung der existentiellen Bedürfnisse. Säuglinge, Alte, Kranke, Hungernde etc.

Purpur: das Clan Mem. Es geht um Sicherheit und Verbundenheit durch die Gemeinschaft. Magisches Denken. Kleinkind, Ureinwohner etc. Steinzeit.

Rot: das egozentrische Mem. Es geht um Durchsetzung, Herrschaft und Macht. Pubertät, Krieger, Diktator etc.

Blau: das Sinn betonende Mem. Es geht um Wahrheit, Ordnung, Schuld und Aufopferung. Traditionalisten, Fundamentalisten etc. Mittelalter.

Orange: das strategische Mem. Es geht um Leistung, Fortschritt und Wohlstand. Unternehmer, Manager, Banker, Wissenschaftler etc. Zeitalter der Aufklärung.

Grün: das relativistische Mem. Es geht um Harmonie, Gleichheit und Toleranz. Ökos, Ehrenamtliche, Idealisten etc. Postmoderne.

Gelb: das systemische Mem. Es geht um eine stete Entwicklung und Streben nach Ganzheitlichkeit. 21. Jahrhundert.

Türkis: das holistische Mem. Es geht um Verbundenheit mit dem, was ist.

Für eine ausführliche Erklärung empfehle ich:
http://one-mind.net/spiral-dynamics/

sowie das Buch „Don Edward Beck, Christopher C. Cowan: Spiral Dynamics. Eine Landkarte für Business und Gesellschaft im 21. Jahrhundert.“

Dieser Rahmen bringt einige Vorteile mit sich, die zugleich mit Problematiken verbunden sind: Es wird klar, warum Menschen, die auf verschiedenen Bewusstseinsstufen stehen, Schwierigkeiten haben, sich gegenseitig zu verstehen oder auch zu akzeptieren. Das Wissen um diese Stufen kann dazu führen, dass man Gedanken oder Glaubenssätze eines anderen einordnen und verstehen kann, ohne dass man diese teilen muss. Gleichzeitig ist es gefährlich, insofern es Schubladendenken fördern kann oder gar dazu führen, dass sich jemand, der sich auf einer höheren Bewusstseinsstufe wähnt, über andere erhebt bzw. diese das Gefühl bekommen, in ihrem Denken abgewertet zu werden.

Anwendungen von Spiral Dynamics auf die Beschreibung der Entwicklung des Glaubens oder der Spiritualität findet ihr hier: Die spirituelle Rolltreppe und Gott 9.0.

 

 

 

14 comments

  1. Mir gefällt diese Zusammenfassung sehr. Doch bin ich auch erleichtert über den letzten Satz: Gleichzeitig ist es gefährlich, insofern es Schubladendenken fördern kann oder gar dazu führen, dass sich jemand, der sich auf einer höheren Bewusstseinsstufe wähnt, über andere erhebt bzw. diese das Gefühl bekommen, in ihrem Denken abgewertet zu werden.

    1. Danke, ja, das sehe ich tatsächlich als eine ernsthafte Gefahr des Modells. Jede Stufe ist eben gleich wichtig und hat jeweils ihre (begrenzte) Berechtigung. Positives Gelb erkennt eben genau das, worin es sich von den vorhergehenden Stufen unterscheidet, die sich jeweils gegenseitig abwerten.

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