Heiliger Geist = erweiterter Bewusstseinszustand = Christusbewusstsein?

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Paul Smith schlägt in seinem Buch „Is your God Big Enough, Close Enough, You Enough? Jesus and the Three Faces of God“ vor, den Begriff „Heiliger Geist“ um der besseren Verständlichkeit willen durch den Begriff „Bewusstsein (consciousness)“ zu ersetzen.

„These ancient biblical metaphors and descriptions of spirit are today contained in the word „consciousness.“ (Diese uralten biblischen Metaphern und Beschreibungen des Geistes sind heute in dem Wort „Bewusstsein“ enthalten) S. 79

Er erklärt, dass die früheren Übersetzungen „Geist“ schrieben (und eben nicht „Bewusstsein“), weil das Wort „Bewusstsein“ und das Konzept dahinter, wie wir es heute verwenden, damals noch nicht existierte – dieses sei erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts aufgekommen – häufig werde es John Lockes Erkenntnistheorie zugeschrieben.

Heute jedoch verständen wir unter dem Wort „Geist“ meist etwas anderes als unter dem Wort „Bewusstsein.“ Und gerade deshalb sei es sinnvoll, die Begriffe wieder zusammenzubringen, um eine Vorstellung miteinander zu verbinden, die sonst gedanklich getrennt bleibt.

Vorsicht ist allerdings geboten: Der Begriff „Bewusstsein“ ist auch in unserer Sprache äußerst mehrdeutig und was jeweils darunter genau verstanden wird abhängig von der jeweiligen Weltanschauung.

Tatsächlich liest und versteht sich der Text der Apostelgeschichte aber neu, wenn wir das einmal probeweise tun (Grundlage ist hier die Neue Genfer Übersetzung):

1, 8 „Wenn der Erweiterte Bewusstseins(zustand) auf euch herabkommt, werdet ihr mit seiner Kraft ausgerüstet werden, und das wird euch dazu befähigen, meine Zeugen zu sein…“

2, 4 „Alle wurden mit dem Erweiterten Bewusstseins(zustand) erfüllt, und sie begannen, in fremden Sprachen zu reden; jeder sprach so, wie der Höheren Bewusstseins(zustand) es ihm eingab.“

2,17 „Am Ende der Zeit‹, so sagt Gott, ›werde ich meinen Erweiterten Bewusstseins(zustand) über alle Menschen ausgießen. Dann werden eure Söhne und eure Töchter prophetisch reden; die Jüngeren unter euch werden Visionen haben und die Älteren prophetische Träume.“

Im Wikipedia-Artikel zu „Bewusstsein“ steht: „Im Christentum werden die Begriffe Seele und Geist (auch „Heiliger Geist“) scharf vom Geist des Menschen unterschieden.“ Paul Smith macht genau das Gegenteil: Er sagt, es handele sich um ein und dasselbe!

Erst durch diese Gleichsetzung wird nämlich möglich, den Zusammenhang zwischen Bewusstseinszuständen und den besonderen Vorkommnissen zu erklären, die für die frühe christliche Gemeinde typisch war: Ekstase, Spontanheilungen, das Wissen von fremden Sprachen, Verhaltensänderungen etc. Der „Heilige Geist“ ist nicht eine seltsame Person der Dreieinigkeit, mit der wir eigentlich nicht wirklich etwas anfangen können, oder ein Bestandteil der Formel „Gott, Vater und Heiliger Geist“ oder gar das Bild einer flatternden Taube. Er ist vielmehr ein Zustand, der uns alle überkommen kann. Oder für den wir uns durch Meditations- oder Gebetspraxis öffnen und empfänglich machen können.

Bewusstsein in seinem modernen Verständnis ist nicht auf Erklärungen reduzierbar. Es geht vielmehr jeder möglichen Erklärung immer voraus, da wir Zugriff auf Inhalte, Ideen, Wahrnehmungen etc. nur vermittels unseres Bewusstseins haben.

Hintergrund ist das sogenannte Qualia-Problem (oder Leib-Seele): Die qualitative Lücke zwischen bewusstem Erleben und der Erforschung der materiellen Grundlage des Bewusstseins. Ken Wilber löst diese Lücke durch die Einführung seines Quadranten, wo subjektiv und objektiv zu verschiedenen, gleichwertigen Perspektiven auf eine Sache werden.

Es würde demnach wenig Sinn machen, mit jemanden theoretisch über das Wirken des Heiligen Geistes zu philosophieren, der selbst noch nie einen solchen höheren Bewusstseinszustand erlebt hat, an sich selbst oder an einem anderen Menschen. Andernfalls verkommt das Reden über den Heiligen Geist zu einer toten Formel, einem künstlichen Abstraktum oder einem abenteuerlichen Gedankenkonstrukt.

Häufiger wird heute von der Vorstellung eines „nicht-lokalen-Bewusstseins.“ gesprochen. Manche nennen es auch „Quantenbewusstsein.“ Damit ist gemeint, dass die Inhalte des Bewusstseins sich nicht an einer bestimmten Stelle in unserem Gehirn befinden, sondern theoretisch von jedem Ort aus Zugriff auf diese Inhalte möglich ist. Durch die Annahme von einem solchen Bewusstsein können zahlreiche Phänomene erklärt werden, die andernfalls rätselhaft bleiben müssen, wie zB. Nahtoderlebnisse oder paranormale Fähigkeiten. Einige Physiker sind auch der Ansicht, dass es eine logische gedankliche Konsequenz der Quantentheorie ist. Durch ein solches Bewusstsein können wir uns die gesamte Menschheit, ja auch die Tier- und Pflanzenwelt als etwas denken, dass schlussendlich eins und ungetrennt ist: Ein in Raum und Zeit ausgefaltetes Gottesbewusstsein.

Wichtige Vertreter dieser These sind u.a. Pim Van Lommel, niederländischer Arzt und Nahtodforscher, Ervin Laszlo, ein ungarischer Wissenschaftsphilosoph und integraler Denker sowie sein Co-Autor Dennis Kingsley.

Ein Video zu dem Thema findet ihr hier:

Der „Heilige Geist“ wäre dann derjenige, der uns an diesem Bewusstsein teilhaben lässt. Wir könnten den „Heiligen Geist“ also „Höheres Bewusstsein“ oder „Gottesbewusstsein“ oder „Christusbewusstsein“ nennen.

Wie empfindet ihr diese Gleichsetzung – ist sie hilfreich, erhellend oder falsch?

9 comments

  1. Die Überlegungen von Paul Smith sind zumindest interessant. Sie führen weg von der Assoziation, die im Deutschen nahe liegt, wo ein „Geist“ auch so etwas sein kann wie ein Gespenst (also die Taube, die da rumflattert…) – und das ist sicherlich nicht mit dem Heiligen Geist gemeint. Unser Verständnis von „Geist“ scheint mir oft etwas zu bezeichnen, was außerhalb ist, etwas, das von außen kommt…

    Wenn der Geist als Bewusstsein(szustand) bezeichnet wird, kommt das einem Verständnis näher, das den Geist als etwas versteht, was im Menschen ist. Und da kriegen wir Probleme mit dem herkömmlichen Verständnis, das sich in dem Wikipedia-Artikel zeigt.

    Du zitierst: „Im Wikipedia-Artikel zu „Bewusstsein“ steht: „Im Christentum werden die Begriffe Seele und Geist (auch „Heiliger Geist“) scharf vom Geist des Menschen unterschieden.“ Paul Smith macht genau das Gegenteil: Er sagt, es handele sich um ein und dasselbe!“

    – Ja und nein. Es kommt immer auf die Terminologie an. Ist mit Geist „nous“ = „mind“ gemeint, also der Verstand, dann ist das natürlich etwas ganz anderes als der Heilige Geist, und das wird auch Paul Smith nicht in eins setzen. Biblisch ist die Trennung in Leib – Seele – Geist gar nicht so eindeutig, ich glaube, die ist eher griechisch-hellenistisch…

    Oder, in einem Satz: Wenn wir von Geist sprechen, müssen wir immer genau Rechenschaft ablegen darüber, was wir eigentlich damit meinen. Und die Interpretation von Paul Smith macht da auf jeden Fall eine neue Dimension auf. Das zeigt dein Versuch, an den drei Bibelstellen das Wort „Geist“ durch „höhere Bewusstseinszustand“ zu ersetzen sehr eindrücklich. Vielen Dank!

  2. Werte Sandra,

    ja, es ist ein gefährliches Spiel, begriffe, wie Definitionen zu tauschen. Für „kurzfristige“ Denkanstöße und Perspektivwechsel ist das mitunter sehr hilfreich. -Ich mache das manchmal sehr gerne, wenn ich mit „Atheisten“ im Gespräch bin, daß sie doch den „Begriff Gott“ gegen das Wort/Begriff „Liebe“ tauschen mögen, was zu einem Fortgang der Diskussion/des Gesprächs führt. Jedoch kann ich hier nicht wirklich was konkretes festzurren oder gar beweisen.
    Von daher ist dieser Austausch von Begriffen und Definitionen eher schon problembehaftet (unterschiedliches Wissen bis hin zu streitbaren Auslegen) und man befindet sich auf einem schmalen Grad.

    Der Mensch forscht, sucht zu erklären mit den Mittel wie auch den Worten, die ihm derzeit zur Verfügung stehen. Ich muß zum Einen an die „materielle“ Forschung denken, Thema CERN und die „Gottesteilchen“, wo wir ja auch unsere gepflegten Probleme haben, auf des Pudels Kern zu kommen.
    Und das sind ein paar literarische Zeilen, die diesen „wissenschaftlichen Versuch“ und die Ableitungen daraus darstellen, ganz dem aktuellen Zeitgeist entsprechend:
    „The Universe demystified, Chemicals for God“

    Können wir wirklich glauben, daß wir diese materielle und erst recht die geistige Welt sezieren und katalogisieren und die unumstößliche „Wirkweise“ samt aller Komponenten festmachen können?

    Wie im Beitrag angeklungen ist die Unterscheidung zwischen Heiligem Geist und menschl. Geist essentiell.
    Der Heilige Geist mag eine Hilfe sein, auf dem Weg zur Erkenntnis, manchmal erinnert er uns, führt uns etc., er ist jedoch immer eine subjektive Erfahrung eines jeden Menschen, der ihn erfährt. Er ist unfaßbar, wie wir ja auch nicht die Unendlichkeit von Zeit und Raum erfassen können.

    Es ist nachvollziehbar, daß wir uns als Menschen der „Thematik“ annähern wollen, ob das jedoch auf einem „wissenschaftlichen Wege“ möglich ist. Und selbst wenn wir das jetzt mal hypothetisch annehmen, welche Auswirkungen soll das haben. Wird dieses „Wissen“ dann allgemein gültig – was dieses Wissen dann in der Hand von Menschen anrichtet, haben wir und sehen wir auch derzeit.
    Ich denke an das Hornberger Schießen, die Quadratur des Kreises – wir müssen uns derzeit und in dieser „Dimension“ damit abfinden, daß wir selbst die Welt und erstrecht nicht das Göttliche festmachen können mit unserem Bewußtsein.
    Wie kurz schon angedeutet, kann das vermeintliche Wissen um „höheres Bewußtsein“ auch genau ins Gegenteil führen.
    Es bleibt uns nichts anderes übrig, den Heiligen Geist in Demut anzunehmen… vorallem, wenn er uns „heimsucht“.
    Alles Liebe
    und Danke für den spannenden Anstoß zum Austausch und Diskussion,
    Raffa.

    1. Lieber Raffa, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Manches verstehe ich allerdings nicht ganz: Woran machst du fest, dass in meinem Beitrag anklingt, dass die Unterscheidung zwischen Hl. Geist und menschlichem Geist essentiell sei? Persönlich bin ich der Meinung, dass diese strikte Unterscheidung und damit Trennung mehr Verwirrung als Klarheit stiftet und Dinge auseinanderreißt, die zusammengehören. Wie auch Tilmann Hagerer in seinem Kommentar dankenswerterweise erklärt, geht es ja weder Paul Smith noch der Bibel um eine Gleichsetzung von „Mind/Verstand“ mit „(Heiligem)Geist“, sondern eher um die Erkenntnis, dass auch durch unser Bewusstsein das Göttliche wirkt, auf die Welt hindurchschaut und seiner selbst bewusst wird. Wir können das Göttliche natürlich nicht „festmachen“, wir können es nur wahrnehmen oder in uns selbst entdecken. Was du mit dem „Wissen in der Hand von Menschen“ im Blick hast, weiß ich natürlich nicht genau, selbstverständlich kann jedes Wissen zu sehr unterschiedlichen Zwecken angewandt werden, (zB. Atombombe) dadurch wird es aber m.E. nicht an sich weniger spannend oder wertvoll? Und natürlich zerlegt und zerstört Wissenschaft ihren Gegenstand in gewisser Weise, während sie forscht. Deshalb finde ich auch Paul Smith drei Perspektiven auf das Göttliche so wichtig: Die 3. (objektive), 2. (intersubjektive) und 1. (subjektive). (Werde bald mehr darüber schreiben) Hätten wir nur die 3. Perspektive, wäre spirituelles Leben, Reden, Sprechen mit, Fühlen von Gott unmöglich. Liebe Grüße, Sandra

      1. „Im Wikipedia-Artikel zu „Bewusstsein“ steht: „Im Christentum werden die Begriffe Seele und Geist (auch „Heiliger Geist“) scharf vom Geist des Menschen unterschieden.“ Paul Smith macht genau das Gegenteil: Er sagt, es handele sich um ein und dasselbe!“

        >Wie im Beitrag angeklungen ist die Unterscheidung zwischen Heiligem Geist und menschl. Geist essentiell.<
        Oder sollten wir der Auffassung von Paul Smith den Vorzug geben?

      2. Das bleibt ja dir überlassen 🙂 Aber Autorin des Wikipedia Artikels bin ich nicht und kann mich dem auch nicht anschließen (aus bereits genannten Gründen).

  3. Der höchste Bewusstseinszustand wohnt jenseits des Denkens. Die Gedanken sind nur Wolken, welche, jenseits des höchsten Berggipfels, das Sonnenlicht drappieren. Dies wird im Yoga-Vedanta auch Nirvikalpa -Samadhi genannt. Dies ist dem Denken unantastbar.

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