Jim Marion – Christusbewusstsein

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Heute will ich euch das Buch „Der Weg zum Christusbewusstsein. Eine Landkarte für spirituelles Wachstum in die Tiefe der Seele“ von Jim Marion vorstellen.

Auf dem Buchrücken heißt es:

Gestützt auf das Werk des bekannten Bewusstseinsforschers Ken Wilber – der das Vorwort zu diesem Buch geschrieben hat – und auf das Modell der stufenweisen Bewusstseinsentwicklung, zeichnet der Verfasser unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Psychologie, der auch des Neuen Testaments und so bedeutender christlicher Mystiker wie Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz eine Karte, die uns Schritt für Schritt zu dem Bewusstsein hinführt, das Jesus als das Reich Gottes bezeichnete – zur höchsten Stufe der spirituellen Entwicklung des Menschen.

Er selbst bezeichnet es in der Einführung als

das erste Buch, das in aller Klarheit den gesamten spirituellen Weg des Christentums beschreibt. (S. 15)

Ken Wilber stimmt dem in seinem Vorwort zu und erklärt, was es damit auf sich hat:

Das klingt zunächst recht grandios […] ist […] jedoch weit weniger grandios, als [es] klingt. Denn mit dem „gesamten Weg“ meint Jim Marion einen Weg, der nicht nur die grundlegenden Stufen spiritueller Entwicklung umfasst, die von den großen Weisen und Heiligen so unübertrefflich beschrieben wurden, sondern auch die psychologischen Entwicklungsstufen, die erst kürzlich von modernen Entwicklungspsychologen {wie Jean Piaget, Jane Loevinger, Robert Kenan, Lawrence Kohlberg und Carol Giligan) entdeckt wurden. Ein wirklich vollständiger Weg würde [diese Stufen, Erg.] miteinander verbinden. (S. 13)

Die Verknüpfung der Stufen und deren Bezeichnung übernimmt Jim Marion eins zu eins von Ken Wilber. Was sein Buch eigentlich erst originell macht, ist die Verknüpfung mit seiner extrem offen geschilderten Erzählung seiner eigenen spirituellen Biografie.

Jim Marion trat mit fünfzehn Jahren in ein katholisches Kloster ein, das er siebeneinhalb Jahre später wieder verließ. Danach machte er Karriere als Jurist. Lange Zeit rang er mit seiner Homosexualität, bis er schließlich seinen Frieden damit fand.

Die Kern-Thesen seines Buches sind:

  1. Jesus habe mit seiner Rede vom „Reich Gottes“ die höchste Stufe der spirituellen Entwicklung des Menschen gemeint – keinen Ort. Das Ziel eines jeden Menschen sei es, dieses Bewusstsein zu erlangen und so im Reich Gottes zu leben. In diesem wird keine Trennung mehr zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch wahrgenommen.

Für Jesus und Mutter Teresa war die nicht-duale Schau dieser Welt keine Frage der Phantasie. Sie taten nicht nur so, als ob es zwischen ihnen und Gott oder zwischen ihnen und anderen Menschen keinerlei Trennung gäbe. […] In Wahrheit war es ihnen nicht möglich, auf andere Weise zu sehen

2. Die Kirche oder vielmehr die Menschen, aus der diese besteht, haben das bis heute häufig falsch gelehrt, weil sie noch nicht die Entwicklungsstufe erreicht haben, auf der sie fähig sind, diese Wahrheit zu erkennen. Jede Religion neige deshalb nach dem Tod ihrer Gründer zu einem Rückschritt.

Sie verstehen und interpretieren diese Mystiker immerzu falsch, weil die Stufe ihres eigenen spirituellen Bewusstseins noch nicht hoch genug ist, um erkennen zu können, wovon die Mystiker sprechen.

3. Jesus selbst habe vor zwei Problemen gestanden: Erstens übersteige das nonduale Bewusstsein den Verstand des Menschen und lasse sich deshalb mit Worten nicht hinreichend ausdrücken. Zweitens konnte nur derjenige Jesus richtig verstehen, der sich bereits selbst auf einer höheren Bewusstseinsstufe befand.

Selbst wenn die Schau des Reiches Gottes durch eine poetische oder metaphorische Sprache klar zum Ausdruck gebracht wird, können die Zuhörer oder Leser sie dennoch nur dann wirklich verstehen, wenn auch sie dieses nicht-duale Bewusstsein bereits verwirklicht haben.

4. Auf dem Weg zu diesem Ziel durchlaufe jeder Mensch einen Entwicklungspfad mit insgesamt neun Bewusstseinsstufen:

  1.  Archaisch
  2. Magisch
  3. Mythisch
  4. Rational
  5. Schau-Logik
  6. Medial
  7. Subtil
  8. Kausal
  9.  Non-Dual

5. In der Beschreibung dieser Stufen lehnt er sich eng an die Terminologie von Ken Wilber in dessen Eros, Logos, Kosmos an. Die ersten fünf Stufen stammen u.a. aus der Forschung zur kognitiven Entwicklung von Jean Piaget und den Kulturstudien von Jean Gebser. Die darauf folgenden noch höheren Stufen werden von Mystikern aller Traditionen beschrieben und wurden von Wilber lange als Fortsetzung der kognitiven Entwicklung angesehen, bis er sie in seinen späteren Werken beginnt, als besondere Bewusstseinszustände zu verstehen.

6. Um den Übergang zum subtilen und schließlich kausalen Bewusstsein (auch Christusbewusstsein) zu beschreiben, bedient er sich Schilderungen aus der christlichen Tradition. Die „Dunkle Nacht der Sinne“ führt in das subtile Bewusstsein hinein, die „Dunklen Nacht der Seele“ schließlich in das Christusbewusstsein, die kausale Stufe. Diese bezeichnen äußerst schwierige Lebensphasen im Anschluss an eine intensive Meditation- und Gebetspraxis, in denen alte negative Emotionen und Neurosen frei werden.

Für mich war es das traumatischste Ereignis in meinem Leben. Das Entsetzen ist unbeschreiblich. 

7. Weil nicht jeder/kein Mensch in der Lage ist, innerhalb eines Lebens die neun Stufen des Bewusstseins zu durchlaufen, gäbe es die Reinkarnation.

Wer in diesem Leben die nicht-duale Bewusstseinsstufe nicht erreicht, muss in der Regel auf diesen oder auf einen anderen stofflichen Planeten zurückkehren, bis es ihm gelingt.

8. Jesus Christus sei als einziger Mensch bereits mit dem nondualen Bewusstsein zur Welt gekommen. Durch seinen Tod und seine Auferstehung habe er ein Sinnbild geliefert für den spirituellen Weg durch die dunkle Nacht der Seele hin zum nondualen Bewusstsein.

9. Für unseren eigenen Weg empfiehlt er eine konsequente, regelmäßige Praxis wie es die integrale Lebenspraxis sei.

10. Religion habe nur eine wesentliche Aufgabe, auf die sie sich zurück besinnen solle.

Die einzig grundlegende Aufgabe der Religion besteht darin, die Entwicklung des Bewusstseins zu beschleunigen.

Fragen, die mir bei der Lektüre spontan kamen, waren unter anderem:

  1. Der Autor scheint von der Praxis/Übungen christlicher Mystik (Jesus-Gebet, Herzensgebet, Sammlungsgebet etc.) äußerst wenig Kenntnisse zu besitzen und das im Jahr 2000. Sind diese immer noch derart unbekannt?
  2. Der Autor fügt im Anschluss an Ken Wilbers frühe Werke die ersten fünf der kognitiven Entwicklung mit den letzteren vier der spirituellen Entwicklung zu neun Stufen zusammen. Diese Zusammenfügung ist eine spannende Idee und offensichtlich mit den Erfahrungen von Jim Marion kompatibel, aber derzeit wissenschaftlich nicht belegbar. Für den Bewusstseinsforscher Graves waren die Bewusstseinsstufen nach oben hin offen, da in der Zukunft liegend. Ist also des Rätsels Lösung, dass wir Jesus und andere Mystiker als Menschen der Zukunft verstehen, die uns vorgelebt haben, wie es mit der Menschheit als Ganzem weitergeht?
  3. Themen der heutigen Esoterik-Literatur, sind offenbar Themen der medialen Bewusstseinsstufe: Aura lesen, Channeling, Klarfühligkeit, Klarhörigkeit, Klarsichtigkeit etc. Ist das starke Interesse an Esoterik also eher als ein positives Zeichen zu werten, das davon zeugt, dass bereits viele Menschen sich dieser Ebene annähern (wollen)? Wie verhält sich das dann aber zu der Einschätzung von Spiral Dynamics, dass derzeit nur wenige Prozent der Menschheit die integrale Bewusstseinsstufe erklommen haben?
  4. Bei der Rede von der medialen Bewusstseinsstufe tauchen plötzlich wieder Engel, Luzifer, Dämonen etc. auf – wie lässt sich diese Rede von der auf einer prärationalen Stufe unterscheiden?

Ein wunderbares Interview von Janet Conner mit Jim Marion über sein Buch „Der Weg zum Christusbewusstsein“ und die Rolle, die Ken Wilber dabei gespielt hat, könnt ihr euch hier (auf Englisch) anhören:

https://www.unityonlineradio.org/soul-directed-life/jim-marion-author-putting-mind-christ-and-death-mythic-god

6 comments

    1. Dazu zitiere ich gern den Autor selbst, auch weil es mir ähnlich geht wie dir: „Vielen Christen wird es schwerfallen, die Reinkarnation als wahr zu akzeptieren. Auch für mich war es ein harter Kampf, diese Vorstellung zu akzeptieren, und deshalb kann ich das gut verstehen. Wir müssen die Reinkarnation nicht als Tatsache akzeptieren, um erlöst zu werden. Deshalb überlasse ich es Ihnen, ob Sie daran glauben oder nicht. Es würde allerdings auch keinen Sinn machen, in diesem Buch eine spirituelle Realität außer Acht zu lassen, die, wie ich mittlerweile glaube, uns alle in tiefster Weise berührt“, S. 251, Liebe Grüße

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