Cynthia Bourgeault: Das Herz im Gebet der Sammlung

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Die spirituelle Lehrerin und Autorin Cynthia Bourgeault stellt in ihrem Buch die These auf, dass das Christentum mit dem Gebet der Sammlung (Zentrierendes Gebet) über eine kontemplative Praxis verfüge, die wie keine andere direkt in das nonduale Bewusstsein führe. Sie unterscheidet es von einer anderen Form christlicher Mediation – dem Mantrabeten.

Wenn ihr noch nicht wisst, was der Begriff „Nondualität“ meint, empfehle ich euch zuerst meinen Artikel dazu: Wie erfahre ich Nondualität? 

Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, wie das Gebet der Sammlung praktisch geht, hier entlang.

Ihre Thesen sind in Kurzform:

  • Das Gebet der Sammlung trainiert das „Loslassen“ – unserer Gedanken, Gefühle, Erinnerungen etc. „Loslassen“ ist keine Einstellung, sondern eine Übung mit konkreten physiologischen Auswirkungen. Das Gebet sei kenosis in Reinform – Leerwerden, Entäußerung. Vorbild hierfür ist Jesus.

„Er entäußerte/erniedrigte (hier das Verb kenosein im Griechen, Leerwerden im Englischen) sich selbst“, Brief an die Philipper 2,8

  • „Nondualität“ ist eine andere Art der Wahrnehmung und Reaktion auf äußere Reize, die uns Menschen über unseren Körper zur Verfügung steht. Das Gehirn nehme war, indem es trenne und abstrahiere, das Herz dagegen empfände die Wirklichkeit mittels „holographischer Resonanz“. Vermutlich hätten das die östlichen christlichen Mystiker gemeint, die dazu rieten, das Denken vom Kopf in das Herz zu führen.
  • Der Autor der „Wolke des Nichtwissens“ behaupte sogar, es hebe den Ursprung der Sünde – die trennende Wahrnehmung – wieder auf.
  • Unsere Reaktion auf äußere Reize bestimmt, ob unser Reptiliengehirn (Kämpfe oder Fliehe-Modus) aktiviert wird oder unser Körper aus einem Zustand der Herz-Hirnkohärenz antwortet

Sie bezieht sich dabei besonders auf die neuesten Forschungen zum Herzen durch das Harth Math Institut in Boulder, Kalifornien. Dieses Institut wurde gegründet, um Menschen durch Übungen, Kurse und Geräte mit der Intelligenz ihres Herzens in Verbindung zu bringen. Ziel dabei sind u.a. Ausgeglichenheit, Gesundheit, Widerstandskraft und Kontakt mit der eigenen Intuition.

[Herzkohärenz] ist ein optimierter Zustand, in dem Herz, Geist und Emotionen geordnet und im Gleichklang sind. Auf Körperebene agieren Immun-, Hormon- und Nervensystem in einem Zustand energetischer Koordination.“

pixabay13Bei seinen Forschungen ist es zu einigen spannenden Ergebnissen gekommen:

  • Es gibt ein vom Kopfgehirn unabhängiges Herzgehirn (- so wie auch im Darm), das über ausgeprägte sensorische Fähigkeiten verfügt.
  • Die Herzfrequenz ist Schwankungen im Millisekundenbereich unterworfen – Herzfrequenzvariabilität (HFV) oder auch Herzratenvariabilität (HRV) genannt
  • Wer eine höhere HFV/HRV aufweist, kann besser mit belastenden Situationen umgehen, gibt nicht so schnell auf und hat eine größere Willenskraft
  • Das Herz ist das größte elektromagnetische Energiefeld des Menschen
  • Das Herz wertet extrem viel mehr Informationen aus als das Gehirn: Das Ergebnis erhalten wir als „Impuls“
  • Das Herz sendet mehr Informationen an das Gehirn weiter als umgekehrt

Mit dem von innen entwickelten Inner Balance Trainer kann jeder über sein Smartphone sein Herzschlagmuster beobachten. (Kostet 189 € )

Im Mittelpunkt der Übungen, die das Institut entwickelt hat, liegt die herzfokussierte Atmung (Atmung in das Herz hinein). Dies ist ein spannender Punkt, den diese Übung ist auch in der christlichen Spiritualität als äußerst wirkungsvoll bekannt (Name „Herzensgebet“!) weswegen häufig Anfängern sogar davon abgeraten (!) wird. (z.B. Sabine Bobert in „Mystik und Coaching, S. 135)

Cynthia Bourgeault verbindet diese Erkenntnisse über die Bedeutung des Herzens mit einer Kritik an der integralen Theorie. Ihrer Ansicht nach braucht es für die höheren Level- oder zustände der Spiritualität (3rdTier) das Zusammenwirken von Gehirn und Herz. Das Herz (auch als Organ!) sei bisher nicht genügend berücksichtigt worden – auch in der Meditationsforschung nicht. Eine interessante Erklärung hat sie ebenfalls: Die meisten Forschungen werden derzeit von Buddhisten durchgeführt, auf Initiative des Dalai Lama. Doch es seien bereits vielversprechende Forschungen im Gange, angeführt durch den Neurowissenschaftler und Psychologieprofessor Michael Spezio.

Hier könnt ihr mehr über die Autorin erfahren:

http://cynthiabourgeault.org

Ein Interview zu ihrem Buch findet ihr hier:

https://cac.org/heart-centering-prayer/

Auf YouTube gibt es eine Reihe Vorträge, in denen sie die Gebetspraxis und die Thesen ihres Buches vorstellt. Hier eines davon:

Und hier gehts zum Buch (in deutscher Übersetzung): gebet-der-sammlung-cynthia-bourgeault-centering-prayer-thomas-keating

8 comments

  1. Danke Sandra für die Links zu Cynthia Bourgeaults Vortrag.
    Ich kenne das Centering Prayer als Gebet der Sammlung von den Keating-Büchern im Vier-Türme-Verlag:
    Das Gebet der Sammlung. Einführung und Begleitung des kontemplativen Gebetes (1. Bd. der Trilogie). Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 1987; überarbeitete Ausgabe 2010, ISBN 978-3-89680-474-7.
    Das kontemplative Gebet (2. Bd. der Trilogie). Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2012, ISBN 978-3-89680-554-6.
    Kontemplation und Gottesdienst. Liturgie als spirituelle Erfahrung (3. Bd. der Trilogie). Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2012, ISBN 978-3-89680-813-4.

    Mir scheint es sehr ähnlich zu den „Kontemplativen Exerzitien“ zu sein, wie es hier in Haus HohenEichen angeboten wird. In Haus Gries kommt mehr der Name „Grieser Weg“ für das, was Pater Jalics entwickelt hat. (https://www.haus-gries.de/grieser-weg/ )

    Wie siehst Du, wie sich diese Wege gleichen und wie sie sich unterscheiden?

    1. Lieber Gerd, danke für deine Hinweise, die sicherlich auch anderen dienlich sind 🙂 Mir erscheinen die „kontemplativen Exerzitien“ von Pater Jalics einfach eine Form des Jesusgebets, oder nicht? Aus der Beschreibung auf der Homepage geht jedenfalls nichts anderes hervor. Das Jesusgebet ist die Anrufung Jesu, die normalerweise im Atemrhythmus oder zumindest in einem bestimmten Rhythmus wiederholt wird – deshalb auch Mantra-Beten. (Im Osten eigentlich auch immer mit dem Atem ins Herz hinein verbunden, deshalb „Herzensgebet“) Das Zentrierende Gebet unterscheidet sich aber in ein paar wichtigen Punkten und fühlt sich deshalb auch wirklich ziemlich anders an, wenn man es praktiziert. (Das eine schließt das andere natürlich auch nicht aus, Cynthia Bourgeault schreibt auch, dass sie beide kombiniert). Lg

  2. Die oben beschriebene Annahme als selbst erfundene These der Autorin ist selbstverständlich falsch.
    Etwa 500 jahre vor dem Christentum hatte schon der Buddhismus gelernt, unterschiedliche Praktiken der Konzentration und Meditation, die zur vollkommen Loslösung illusorischer Persönlichkeit des Nirvanam führt, sich zu nutze zu machen. Jahrtausende davor bewahrte die Wissenschaft des Yoga all die Geheimnisse des Geistes und der Transzendenz dessen vergänglicher Erschaffungen , was in niedergeschriebener Form uns als die unsterblichen Veden, Upanischaden, Sutras und auch die Yoga- Sutras des Patanjali bekannt sind. Diese sind die höchsten spirituellen Schätze, die später als Ursprung und Inspiration allen anderen Religionen dienten.

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