Kritik an der Idee des kosmischen Christus

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Hier die letzte der drei Folgen zum kosmischen Christus.

Eine Kritik, der ihr euch sicherlich ausgesetzt seht, wenn ihr von dem „kosmischen Christus“ sprecht, ist der Vorwurf, dass diese unbiblisch sei. Wie ihr im letzten Teil sehen konntet, ist dem nicht so. Die Idee ist vielmehr stark in der Bibel verwurzelt. Gleichzeitig wahr ist jedoch, dass die Vorstellung sich nicht allein auf biblische Quellen stützt, sondern weiter entwickelt wurde – (das ist allerdings, am Rande bemerkt, für nahezu alle heutige Glaubenslehren – und Traditionen, auch die der offiziellen Kirchen, der Fall…)

Außerbiblische Quellen

Ab dem vierten Jahrhundert wurde der Titel „Pantokrator“, All- oder Weltenbeherrscher, von Gott, dem Vater auf Gott, den Sohn, Christus übertragen. Zeugnis davon geben zahlreiche Darstellungen, v.a. auf Deckengemälden der byzantinischen und damit orthodoxen Kunst (siehe Bild).

Christus wurde auch mit dem „Adam Kadmon“ aus der jüdischen Kabbala in Verbindung gebracht, der so etwas war wie der „ursprüngliche, kosmische, himmlische Mensch“ oder „Urbild des Menschen“, und die drei Eigenschaften der „Weisheit, Herrlichkeit und Unsterblichkeit“ besaß. Er wurde als ein makrokosmischer Mensch gedacht, der die ganze Welt umspannte.

Die großen Mystiker des Mittelalters, Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Mechthild von Magdeburg, Dante Alighieri, Meister Eckhart und Nikolaus von Kues usw. entwickeln die Idee durch eigene, in der Versenkung gewonnene Einsichten, weiter.

Der Ausdruck „der kosmische Christ“ kam zunehmend im 19./frühen 20. Jahrhundert auf. Eine wesentliche Rolle spielte dabei auch der integrale Denker Pierre Teilhard de Chardin, der neben der menschlichen und göttlichen Natur Christi von einer dritten, der kosmischen, Natur sprach.

Beliebt wurde die Vorstellung in der „New Thought“ (Neu-Geist-) Bewegung aus dem 19. Jahrhundert in den USA. Diese wurde stark von Ralph Waldo Emerson inspiriert, der von Wilber als einer der wichtigsten Vertreter der Naturmystik genannt wird. Aus ihr leiten sich mehrere Strömungen ab, darunter auch die „Unity Church“ von Charles und Myrtle Fillmore, die, wie bereits an anderen Stellen erwähnt, heute integralem Gedankengut gegenüber sehr aufgeschlossen ist.

Mir erscheint es nicht zufällig, dass die Idee des „kosmischen Christus“ sich erst jetzt zu verbreiten beginnt oder neu entdeckt wird: Sie ist eigentlich erst mit einem weltzentrischen Bewusstsein annehmbar und vermutlich mit einem kosmozentrischen Bewusstsein wirklich begreifbar.

Kritik

Dementsprechend schreibt auch ein harscher Kritiker dieser Vorstellung, ein gewisser Dr. Peter Jones, der sich dem Kampf gegen „den neuen Paganismus“ verschrieben hat, dass sie gänzlich dem New Age zuzurechnen sei, und befindet problematisch:

„Das göttliche wird nun der kosmische Christus genannt, der der Geist in allen Religionen sei. Jesus ist nur noch ein Mann, der mit anderen den göttlichen Geist teilt. Christus und das Christentum sind nicht mehr länger einzigartig.“

https://truthxchange.com/1997/06/the-cosmic-christ/

Die neue Spiritualität sei demokratischer, da sie die Verbindung des Göttlichen mit dem Menschlichen in Jesus nur als Paradigma sehe, das potentiell für alle Menschen gelte. Er identifiziert die Bewegung daher mit dem Antichristen. (Übrigens: Der Verfasser scheint auch der festen Ansicht, dass der Antichrist eine Frau, und zwar eine Feministin, sei ;-))

Dem möchte ich mit einem Zitat von Richard Rohr antworten (zitiert nach Gott 9.0):

„Wenn Gott überall ist, dann ist er nirgends exklusiv.“

Ich vermute, dass die größte Angst, die sich hinter einer Abwehrhaltung gegenüber dieser Idee verbirgt, diejenige vor Beliebigkeit ist: Ja, wo kommen wir denn hin, wenn Christus überall ist? Lässt sich dann überhaupt noch irgendetwas über diesen Christus aussagen?

Nun, der Schöpfungstheologe Matthew Fox sagt, es sei eine mystische Erfahrung und als solche jenseits aller Definitionen…

Was meint ihr?

Bild von Dimitris Vetsikas auf Pixabay, Pantokrator.

Weitere Quellen für euch: https://dailymeditationswithmatthewfox.org/2019/07/07/the-cosmic-christ-and-our-experiences-of-the-divine/

3 comments

  1. Liebe Sandra, danke für dieses tolle Thema, welches mir einerseits total aus der Seele spricht, andererseits wirkt es auf mich dann doch wieder exklusiv christlich. Was ist mit den mystischen Zweigen der anderen Religionen? Wie benennen die dieses Phänomen? Letztlich geht es doch darum, selbst ein kosmischer Mensch zu werden oder ein neuer Christus, was dann vermutlich das Gleiche wäre, wie die sog. Buddha-Natur …

    1. Liebe Regina, du hast Recht. Ein religionsgeschichtlicher Vergleich wäre an dieser Stelle sicherlich sehr interessant. Matthew Fox zieht wie du den Vergleich mit der Buddha-Natur. Ich glaube fest daran, dass es in jeder Religion, die Mystiker hat, eine vergleichbare Vorstellung gibt, wenn sie mir auch persönlich im Christentum am offensichtlichsten erscheint. PS: Vielen Dank für deine Gabe der Wertschätzung! Alles Liebe

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