Das Christentum und der Humor
In seinem Buch “Reverent irreverence. Integral Church for the 21th Century” widmet sich Tom Tresher in einem Abschnitt der Frage, welche Rolle Humor im Christentum spiele. Dabei bezieht er sich auf altes jiddisches Sprichwort: “Der Mensch plant, Gott lacht.”
Die völlige Abwesenheit von Humor in der Bibel sei, so zitiert Tom Tresher Alfred North Whitehead, eines der einzigartigsten Dinge in der gesamten Literatur.
Tatsächlich ist der Befund zunächst mager. In einem Interview mit der “Taz” gibt der Religionswissenschaftler Harald-Alexander Korp zu:
“Es ist im Neuen Testament nicht überliefert, dass Jesus je gelacht hat.”
https://taz.de/Humor-in-der-Bibel/!5202568/
Lachen wird auf den ersten Blick fast überall negativ gesehen, entweder als das Lachen des Spötters, das hämische, schadenfrohe Lachen oder als das Lachen eines oberflächlicher Hedonismus.
Der Prediger/Kohelet liest sich geradezu als Anleitung zum Depressiv-Sein:
Besser verdriesslich sein als lachen, denn bei trauriger Miene geht es dem Herzen gut.
Prediger/Kohelet 7,3
In der Bergpredigt äußert sich Jesus auch nicht eindeutig. Einmal ist Lachen gut, einmal schlecht.
Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen.
Lukas 6, 211
… und wenig später:
Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet trauern und weinen.
Lukas 6, 25
Aber kann das wirklich sein? War Jesus wirklich immer so ein ernster, leise vor sich hin lächelnder Mensch, wie ihn viele Bilder erscheinen lassen?
Tom Tresher gibt zu:
Meine Lieblingsdarstellung ist die von Jesus, der aus vollem Halse lacht. Die meisten Darstellungen von ihm sind traurig, träge, friedlich oder langweilig. (…)
S. 122
Das Leben sei ein Spiel Gottes, der in dieser Welt Verstecken mit sich selbst spiele. Daher habe jemand, der nicht über dieses absurde Leben und nicht über sich selbst lachen könne, wohl einfach den Sinn nicht verstanden. Ich sehe das ähnlich.
Humor ist, das wisst ihr alle, etwas sehr individuell verschiedenes, wir könnten auch sagen: typenabhängiges. Manche Menschen können einfach keine Witze machen, andere verstehen überhaupt keinen Spaß und andere vermögen es, riesige Menschenmengen zum Lachen zu bringen. Und tatsächlich tun sich viele, wenn es um Spiritualität oder den Glauben geht, plötzlich sehr schwer mit dem Lachen.
Zugleich ist Humor aber auch etwas, das sich im Laufe der Zeit stark wandelt. Ich bezweifle, dass ich über einen Witz lachen könnte, den mir ein Bauer des 15. Jahrhunderts erzählen würde. Außerdem setzt Humor häufig auch Hintergrundwissen voraus, was sich besonders deutlich im politische Kabarett zeigt: Wenn ich den Politiker, über den sich der Künstler lustig macht, gar nicht kenne, werde ich wahrscheinlich nicht lachen.
Das könnte auch erklären, warum wir die Bibel und Jesus darin als so humorlos wahrnehmen: Wir verstehen die Witze in seinen Erzählungen und Gleichnissen einfach nicht, weil es nicht unser Humor, unsere Kultur, unsere Welt ist, aus der heraus sie entstanden und in die hinein sie gesprochen wurden. In diese Richtung argumentiert auch der Neutestamentler Klaus Berger in seinem Buch “Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu”. Darin zeigt er auf, dass sich seine Gleichnisse und Worte anders verstehen lassen, wenn wir dabei annehmen, dass Jesus sie mit einem Augenzwinkern von sich gab.
Selig sind die, die über sich selbst lachen können, denn sie werden nie aufhören, amüsiert zu sein.
Tom Tresher, S. 123
Für mich drückt dieser Spruch Tom Treshers auch etwas über das Selbstverständnis der kommenden Epoche, der Metamoderne oder Post-postmoderne, aus. Das möchte ich gerne erläutern:
Greg Dember, der Co-Autor eines Blogs zur Metamoderne, macht als eine neue Eigenschaft dieser Strömung einen ganz besonderen Stil von Humor aus: Die “Ironesty”, wie er sie nennt, seine eigene Wortschöpfung, die sich aus den englischen Worten “honesty/earnesty und “irony” (Aufrichtigkeit/Ehrlichkeit/Ernsthaftigkeit und Ironie) zusammensetzt. (http://icoinedthewordironesty.com) Als Beispiel dafür nennt er den Stil des Komikers, den ihr euch hier anschauen könnt:
Ich verstehe das so, dass es in erster Linie darum geht, sich selbst, die anderen, die Welt nicht zu bierernst zu nehmen, durch das Darüber-Lächeln-Können ein wenig Abstand zu gewinnen und sich von Gottes Lachen selbst anstecken zu lassen.
Wenn ich selbst auf mein Leben mit Abstand schaue, und mir all die “Probleme” oder Situationen, die ich mir eingefangen habe, vergegenwärtige, denke ich manchmal, dass derjenige, der das Skript dazu geschrieben hat, definitiv eine Menge Humor besitzt. Geht euch das auch manchmal so?
Ein schönes Thema. Ja, ich denke auch, dass der Humor etwas zu kurz kommt in der ganzen Geschichte um Jesus. Aber er wollte uns ja etwas anderes lehren….
Zum Glück habe ich auch diese Seite von ihm in dem Buch „Essener Erinnerungen“ von A. und D. Meurois-Givaudan erleben können. Da wurde erzählt wie oft Jesus lachte und auch mit seinen Jüngern fröhlich durch die Dörfer zogen.
Man kann die Schöpfung und den Vater ja nicht lieben und preisen, ohne Freude zu empfinden, oder?
Mit lieben Grüssen
Brigitte
Ich hab bei mir das Buch liegen “Ohne Taube und Kamel: Die vier Evangelien des Neuen Testaments aus der aramäischen Peschitta”. Das scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen und könnte andeuten, dass bei der Übersetzung aus dem Aramäischen und durch die Distanz zum orientalischen Kontext vielleicht auch so mancher Humor verlorengegangen ist.