Das Böse – aus integraler Sicht

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Wir haben zu lernen, das Böse zu durchschauen; es gehört zu unserem Menschsein. Und das geschieht leider öfter als uns lieb sein kann dadurch, dass es sich ausagiert.

https://johannesklinkmueller.wordpress.com/2011/11/26/wer-a-sagt-muss-nicht-b-sagen-hilfen-aus-dem-hansel-und-gretel-marchen-gegen-die-macht-des-bosen/

Ich glaube, es gehört zur Berufung des Kontemplativen, das Böse auf erkennbare Spuren hin zu untersuchen und herauszufinden, auf welche wirksamen Möglichkeiten zur Abschaffung des Bösen sie hinweisen.

Beatrice Bruteau, Radiakler Optimismus. Praktische Spiritualität in einer unsicheren Welt, Bielefeld, 2007, 96..

Was ist das – „Böse“?

Angesichts der aktuellen allgegenwärtigen Krisenerscheinungen auf unserem Planeten möchte ich mich mit euch auf die von Beatrice Bruteau angesprochene Suche begeben, „das Böse auf erkennbare Spuren hin zu untersuchen“ und mich fragen: Was verstehen wir unter dem „Bösen“? Lässt sich das Böse abschaffen? Und wenn ja, wie?

Bei der Lektüre verschiedener christlich integraler Autoren fiel mir auf, dass das Thema recht unterschiedlich behandelt wird. Manche begründeten, warum sie die Kategorien „Böse und Gute“ als problematisch empfinden, andere, wie Cynthia Bourgeault, behalten sie bei.

Es dürfte klar sein, dass im integralen Bewusstsein kein Platz mehr für dualistisches Schwarz-Weiß oder Gut-Böse Denken ist nach dem Motto: „Der/die/das ist gut/böse“. ABER: Im Integralen wird es wieder möglich, nein, zwingend notwendig, natürliche Hierarchien anzuerkennen und den nihilistischen Pluralismus des grünen Mem zu überwinden. Auch ich ertappe mich immer wieder gerne bei Sätzen wie „Es ist alles relativ“ oder „Beide Seiten haben auf ihre Weise Recht“ etc., aber das ist keineswegs integral, darin spiegeln sich lediglich Erkenntnisse der Postmoderne, die manchmal stimmen mögen, aber nicht immer müssen.

Ganz im Gegenteil: Das Integrale gibt uns Werkzeug an die Hand, Wertungen vorzunehmen. Und in Türkis spüren wir wieder ganz genau hin, ob wir es mit guten oder bösen Mächten zu tun haben.

Definition „Das Böse“

Wikipedia schreibt:

Das Böse ist der Gegenbegriff zum Guten […]. [Es] wird […] als Inbegriff des moralisch Falschen verstanden, oder als Kraft, die moralisch falsches Handeln antreibt, gelegentlich auch als mythologische, das Weltgeschehen beeinflussende Grundkraft, die zum Guten in einem dualistischen oder antagonistischen Verhältnis steht […].

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Böse

Der Philosoph Jordan Peterson betont in einem Vortrag, dass es wichtig sei, bei den Übeln der Welt (lat. „malum“) zwischen Tragödie und dem Bösen (tragedy and evil) zu unterscheiden. (https://www.youtube.com/watch?v=_vBRGWoK6_4&list=WL&index=10)

Tatsächlich werden bei der Frage: „Wie kann ein guter Gott all das Leid auf der Welt zulassen?“ diese Dinge häufig zusammengeworfen: Der Vulkanausbruch und der Massenmord landen dann in einer Kategorie. Im Folgenden soll es der Einfachheit halber ausschließlich um das (moralisch) Böse gehen, dass von uns Menschen ausgeht, auf uns einwirkt und als „böse“ gewertet wird. Denn unsere Verletzlichkeit und das damit verbundene Leid gehören notwendig zu unserer irdischen Existenz dazu – das Böse jedoch, je nach Definition, zumindest nicht zwingend.

Um uns einer Definition anzunähern, helfen uns die AQAL-Elemente:

Typen

Bei „Gut“ und „Böse“ handelt es sich um eine Typologie. Doch wie ist das Verhältnis dieser zwei zueinander? Manche sehen hier eine Dualität (Böse und Gut schließen sich gegenseitig aus; etwas kann nicht gleichzeitig gut und böse sein) oder einen antagonistischen Kampf, andere eine Polarität (Böse und Gut ergänzen sich; es kann kein Gutes ohne Böses geben und umgekehrt), wieder andere nur den Mangel an Gutem und nochmal andere beschreiben das Böse als eine Art Parasiten oder Vampir, das einseitig vom Guten abhängig ist, so beispielsweise die indigene Vorstellung des Bösen als einer Art geistigen Virus, „Wetiko“ genannt.

In der christlichen Tradition wurde häufig die dualistische oder antagonistische Vorstellung gewählt: Die Welt, aber vor allem das menschliche Herz, ist dabei der Schauplatz des Kampfes zwischen Gut und Böse, Engel und Dämonen, Gott und Teufel. Gnostische Ansichten, die das Böse und das Gute als ebenbürtige Gegenspieler ansahen oder alles Materielle und Körperliche mit dem Bösen gleichsetzen, wurden offiziell verworfen, spielten aber immer wieder eine Rolle.

Menschen, die dieses Entweder-Oder-Denken überwinden wollen, ziehen es daher häufig vor, von „Polarität“ oder „negativ und positiv“ zu sprechen statt von „gut“ und „böse“. Es geht dann weniger um eine moralisch-ethische Wertung, als vielmehr um wirksame Energien.

Der Philosoph Armin Risi weist allerdings auf die Gefahr hin, die Existenz des Bösen mit ganzheitlichen Philosophien zu rechtfertigen:

„Licht schafft keine Dunkelheit, lässt die Dunkelheit aber zu, wenn sich jemand von „ihm“ abtrennen will. […] Wäre das Böse notwendig, wäre es gleichwertig wie das Gute, so wie dies von monistischen und atheistischen Weltbildern letztlich impliziert wird.“ (Risi, 2021)

Risi, Armin, 2021: Polarität & Dualität: Polarität & Dualität: Die Brisanz der ganzheitlichen Spiritualität. https://armin-risi.ch/Artikel/Philosophie/Polaritaet-und-Dualitaet-Die-Brisanz-der-ganzheitlichen-Spiritualitaet.php#,

Das Gute sei „gut, weil es in Resonanz mit dem Gleichgewicht der göttlichen Ordnung“ sei. „Das Böse hingegen definiert sich durch die Negation des Guten“, eines Ungleichgewichts, entweder durch ein Zuviel und dem Zuwenig.

Auch die christliche Mystikerin Beatrice Bruteau nennt es eine „irrige Vorstellung, dass Gut und Böse untrennbar miteinander verbunden sei:

„Das Böse hat keinen Bestand in sich und kann nichts hervorbringen. […] Das Böse […] lässt sich nur vom Guten her vorstellen und es muss gegen etwas existierendes Gutes reagieren, um zu existieren. So ist das Böse vom Guten abhängig, nicht aber das Gute vom Bösen.“

Beatrice Bruteau, s.o., 99.

Das Böse scheint etwas mit dem (bewussten wie unbewussten) Herausfallen aus der göttlichen, natürlichen Ordnung zu tun zu haben. Dazu würde der Name gr. „Diabolos“ passen, der so viel wie „Durcheinanderwerfer“ bedeutet.
Aurobindo und die „Mutter“ vertraten der Ansicht, dass diese feindlichen Kräfte eine bestimmte, selbstgewählte Funktion hätten, und zwar, den Zustand des Individuums und der Erde zu prüfen. Dieser Widerstand nötigte das Gute wiederum dazu, zu noch mehr Selbsterkenntnis und Kraft zu gelangen. (Denken wir nur an Hiob!) Das klingt eher nach einer Art dialektischem Verhältnis, das die Entwicklung vorantreibt. Irgendwann jedoch werde sich auch der letzte Dämon bekehren. Auch in der Bibel finden wir die Vorstellung, dass die Herrschaft des Teufels irgendwann ein Ende hat. (Siehe dazu auch meinen Artikel Engel und Dämonenglaube – überholt?)

Die Schattenseiten der einzelnen Strukturen

Beige: tierisches Verhalten, Überlebenskampf, Essstörungen, Regression, Psychosen

Purpur: Vetternwirtschaft, Mafia, Unbedingter Gehorsam ggü. Autorität, Gestörtes Verhältnis zur Sexualität, Angst vor Dämonen, Geistern und dem bösen Blick, Aberglaube, rituelle Gewalt, Menschen- und Tieropfer, Kannibalismus

Rot: Fehlende Selbstwirksamkeit, Egozentrik, Neurosen, Impulsivität, Chaos, Wut, (religiöse) Kriegs- und Eroberungszüge, (Blut)rache, Ausbeutung, Skrupellosigkeit, „der Stärkere gewinnt“, Intrigen, Fehden, Hexerei, Massaker, Vergewaltigungen, Plünderungen, Folter.

Blau: Negative Glaubenssätze/Skripte,Schwarz-Weiß-Denken, Intoleranz, Zwanghaftigkeit, Fanatismus, Fundamentalismus, ethnozentrisches Denken, Scham, (übertriebene/falsche) Schuldgefühle, Inquisition, spirituelle Misshandlung, unbedingter Gehorsam, Konformismus, Strenge, Selbstgerechtigkeit, Angst vor Glaubensabfall

Orange: Ichbezogenheit/Narzissmus, Konkurrenz, Leistungsgesellschaft, Materialismus, Nihilismus, Ausbeutung, Habgier, Perfektionismus, Elitedenken, Arroganz, Oberflächlichkeit, Lebewesen als Ware und Versuchsobjekte

Grün: Relativismus, Ablehnung jeglicher (auch natürlicher) Hierarchien, Gleichmacherei, „politische Korrektheit/Cancel Culture“, (kollektive) Schuldgefühle, „Selbstverwirklichungstrip“, Orientierungslosigkeit, „Patchwork-Spiritualität“, Opferbewusstsein

Da die integrale Theorie(n) Analogien zwischen individueller und geschichtlicher Entwicklung der Menschheit insgesamt sehen, müssen wir zwingend davon ausgehen, dass nicht nur in jeder/m einzelnen von uns noch Anteile all dieser Stufen schlummern, die noch nicht bewusst angesehen wurden, sondern auch, dass es sich gesamtgesellschaftlich so verhält. Ein weit verbreiteter, blinder Fleck ist auch die Naivität und Blauäuigkeit gegenüber dem Bösen, solange es nicht ausreichend im eigenen Inneren erkannt wird. Menschen, die annehmen, dass unsere Gesellschaft von weit mehr Kräften bestimmt wird als den offensichtlichen werden derzeit meist abwertend „Verschwörungstheoretiker“ genannt. Es erscheint mir vor diesem Hintergrund jedoch tatsächlich naheliegend, dass auch in (post)modernen Gesellschaften Vetternwirtschaft, Korruption, mafiösen Strukturen, rituelle Gewalt usw. eine „Schattenrolle“ spielen – gerade dann, wenn die Mehrheit diesen Umstand lieber aus ihrem Bewusstsein verdrängt. In welchem Umfang, lasse ich dahingestellt. Wenn nun in der derzeitigen Phase des Wandels einige derartiger Schattenstrukturen für einige deutlicher sichtbar werden, ähnelt das der allmählichen Bewusstmachung unbewusster Anteile in der Psychotherapie – und bringt damit früher oder später die Chance auf heilsame Integration.

Bewusstseinszustände

Vermutlich kennen viele von euch die „Bewusstseinsebenen“ nach dem Psychiater David Ramon Hawkins. In dieser werden Gefühle je nach ihrer Schwingung geordnet. Dabei steht die Ebene 700-1000 für Erleuchtung und reine Bewusstheit, 500 für Liebe, wohingegen die niederen Ebenen, 200 und weniger, für Gefühlszustände wie Verachtung, Wut, Angst, Schuld und Scham stehen. Einigen von euch mag das zu esoterisch anmuten. Das Model wurde auch bereits einer gründlichen Kritik aus integraler Sicht unterzogen (z.B., dass hier Ebenen und Zustände gleichgesetzt werden, https://one-mind.net/hawkins-bewusstseinsebenen/).

Dennoch kennt es jeder aus eigener Erfahrung, dass sich manche Gefühle schwerer und enger, andere jedoch leichter und weiter anfühlen. Manche Gefühle und Zuständen werden als angenehmer empfunden und andere fügen nicht nur der Person, die sie empfindet, sondern, wenn sie ausagiert werden, auch den Personen des Umfelds Schaden zu: z.B. Aggression ebenso wie Autoaggression. Und jeder spirituell Suchende sehnt sich im Grunde danach, über den Tag verteilt, mehr Liebe als Angst zu empfinden und auszustrahlen. Wir könnten vielleicht sagen: Bestimmte Bewusstseinszustände machen anfälliger für böses Verhalten. Damit ist allerdings keinesfalls ausgeschlossen, dass auch das Böse sich bewusst bestimmter Zustände bedienen kann, um seinen Einfluss auszuüben oder zu vertiefen.

Quadranten

Bewusstseinslinien und Schatten

Das Böse steht außerdem in einem interessanten Verhältnis zu der Theorie vom „Schatten“, den „Teilpersönlichkeiten“, und dem Phänomen der Besessenheit. Dazu später mehr.

Das nächste Mal wird es um „Die Werkzeuge und Wirkweisen des Bösen“ und darunter selbstverständlich auch um die Frage, was es mit dem Dämonischen auf sich hat, gehen.

Was ist eure Ansicht zum Thema? Habt ihr noch Ergänzungen, Korrekturen? Oder seht ihr etwas gänzlich anders?

9 comments

  1. Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre im spirituellen Bereich, scheint es keine Grenzen mehr zu geben. Immer mehr Menschen sind von sich so überzeugt, dass sogar Behauptungen wie „Ich/Wir bin/sind Gott“; „Wir sind alle Eins“; „Ich bin der Schöpfer meines Seins“ und vieles Vergleichbare, ernsthaft geäußert werden und ebenfalls ernsthaft Resonanz finden. Wo kommt so viel übertriebene Überzeugung von den eigenen Kräften her?

    Der Grund allen Übels ist das falsch verstandene und gelebte Selbst. Wir sind mitten in einer Lebensphase, wo zum wiederholten Mal die menschliche Selbsteinschätzung gefährlich nah daran ist, einem gewaltigen Irrtum zu folgen, weil sie sich vollkommen verschätzt.
    Den ersten folgeschweren Fehler machte der „Mensch“, der seine Ebenbildlichkeit in der ursprünglichen Göttlichen Schöpfung (siehe Genesis 1) immer mehr vernachlässigte zugunsten des eigensinnigen Selbst-Bewusstseins. Ohne den genauen Zeitpunkt dieser Veränderung zu kennen, sind die Auswirkungen immer noch gravierend wirksam. Sie bestimmen uns und unsere Lebenssituation, auch wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen.
    In dem ersten eigensinnig orientierten „Mensch“ prägte die Liebe zum Selbst immer stärker das Sein. Diese selbst bezogene Liebe entwickelte ein Selbst-Bewusstsein, was anstelle der von Gott vorgesehenen Teilhabe am Göttlichen nur noch das aus sich selbst Kommende entwickeln will. Dieser „Mensch“ hat in seinem Geist Vorstellungen entwickelt und sagt in dieser Phase über sich: „Ich bin die Liebe.“
    Alles was aus daraus entsteht wird von diesem „Mensch“ als Erzeugnis seines Selbst gesehen. Die Beteiligung von Gott als Schöpfer wird immer mehr verdrängt und verschwiegen. Diese eigenwillige Bewusstseinshaltung ist die geistige „Urmutter“ der „Selbst-Schöpfungen“, die neben Ebenbildlichem Eigensinniges verbreitet.
    Immer größer und dominanter werden im Laufe dieser sich entwickelnden ursprünglichen Ausbreitung die selbstsüchtigen Anteile. Gleichzeitig verringert sich im vergleichbaren Maß die Verbindung zum Göttlichen und damit zur wahren Liebe und wahren Weisheit. Als wesentliche Lebensprinzipien werden diese beiden Faktoren auch im Eigensinn wichtig genommen, sie werden jedoch zugunsten der übertriebenen Liebe zum Selbst missbraucht. Aus dem Missbrauch stammen selbst entwickelte Vorstellungen (siehe: „Ich bin die Liebe“), Gedanken und Taten, die immer stärker ein falsches Selbst(Bild) erzeugen aus Begeisterung für das Ego-Zentrische. Diese Begeisterung ist von sich und seiner Gesinnung so vollkommen überzeugt, dass es sich als strahlender „Stern“ innerhalb seiner egozentrischen Welt sieht und präsentiert. Andere „Menschen“ werden von dem so geschaffenem luziferischen Licht angezogen, nehmen es auf und trennen sich ebenfalls von Gott. So verbreitet sich das „Feuer“ der „Selbstbegeisterung“ und erzeugt ein immer stärker werdendes eigensinniges „Licht“. Es ist ein Scheinlicht indem sich die Beteiligten sonnen. Was diesem Licht fehlt, ist die Wärme der wahren Liebe und die Erleuchtung aus der wahren Weisheit.

    So haben sich zwei Lebensräume (zeitlich weit vor der „Materie-Schöpfung“) gebildet.
    In dem einen besteht weiterhin die Teilhabe in der Einheit allen Seins innerhalb der Göttlichen Schöpfung als ebenbildliche „Menschen“. In dem anderen Raum werden selbstsüchtige „Menschen“ von ihren selbst geschaffenen Mangelerscheinungen und Trennendem bestimmt. Diese Missstimmung, die auch in uns wirkt, könnte sich wandeln, wenn Nachfolgendes berücksichtigt und umgesetzt würde:
    Der erste notwendige Schritt, um das Falsche zu verlassen und den Weg zurück zur wahren Einheit im Ebenbildlichen zu gehen, ist die Einsicht, durch das verkehrt ausgerichtete Selbst-Bewusstsein verantwortlich für den eigenen Zustand zu sein.
    Weiterhin benötigt es die Erkenntnis und das Bekenntnis, wesentliche Lebensprinzipien missbraucht und verraten zu haben. Die Trauer über den Verlust an wahrem Leben ist eine weitere Erscheinung auf dem Weg. Aus ihr entsteht in Verbindung mit der Selbst-Verantwortung echte Buße.

    Wie schwierig es einem eigensinnigen Selbstbewusstsein fällt, diesen notwendigen Weg zu gehen, können wir am besten an uns selbst sehen. Wir haben durch unsere Haltung und unser Leben teil an den oben beschriebenen Phänomenen. Beide „Menschen“ finden sich auch in uns.
    Wie bedeutsam diese Äußerung ist, und die daraus sich folgerichtig ergebenden Konsequenzen für die Menschheit sind, vertieft sich bei mir immer mehr.

    Durch die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren machen konnte, bin ich mir sicher, dass ich in meinem vergangenen Leben – weit vor meinem jetzigen irdischen Leben – meinen ebenbildlichen Zustand verlassen habe und beteiligt war an der bewussten Trennung von Gott. Ich war (und bin teilweise noch) selbstverschuldet Täter und Opfer dieser Situation.
    Ohne vollkommen Details der Entwicklung und des Verlaufs zu kennen, spüre ich meine Teilhabe und die Auswirkungen an den „dunklen“ Geschehnissen bis in die Gegenwart.
    Vor der Begegnung mit den tiefgehenden „Schattenseiten“ meines Lebens, erlebte ich durch den Geist Gottes seelisch geistige Zustände die meine irdische Lebensphase mit Seiner Hilfe aufklärten und erhellten. So führte er mich nach Seinen Worten:
    „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11, 28-30)
    Je stärker der Wunsch nach echtem sinnvollen Dasein in Verbindung mit der Bereitschaft sich dafür gemeinschaftlich und liebevoll einzusetzen vorhanden ist, desto deutlicher wirkt der Geist Gottes und kann Er erfasst werden.

    Trotz dieser Wirkkraft bleiben wir jedoch weiter in einer Gefährdung (teilweise sehr subtil) einer unangemessenen Nutzung dieser Kraft durch falsche Selbst-Einschätzung und verkehrten Hingabe. Das trifft auch allgemein zu. Besonders betroffen sind die, die gutgemeint immer noch zu sehr ihr „Menschliches“ als Motiv und Gradmesser von Lebenssinn sehen und gutgläubig ihre Hilfe zur Verbesserung in diesem Sinn anbieten. Wie sehr diese Angebote letztendlich eigensinnigen Ursprung haben können, und der Lebensweg – der so begangen wird – nicht zum wahren Ziel führt, wird nicht oder noch zu wenig wahrgenommen. Das trifft auch im unterschiedlichem Maß für alle „Heil“-Aktivitäten zu, in denen Menschen „Leiter-“, „Vermittler-“ und vergleichbare Positionen einnehmen und dadurch den einzig wahren Vermittler zum Heil – Jesus Christus – nicht vollkommen wirken lassen.

    Die unterschiedlichen Reaktionen auf Jesus hinsichtlich Seiner Göttliche Menschwerdung und deren positive Auswirkungen bis in unsere Zeit verdeutlichen einerseits eine noch zu geringe Anteilnahme und andererseits wesentliche Widerstände gegen die Liebestat Gottes.
    Grund ist letztendlich eine Verschlossenheit gegenüber dem „Göttlich Guten“ und Offenheit gegenüber eigensinnigen Anteilen, die durch ein außergewöhnliches Bewusstsein entstanden sind, was als „Urmutter“ („Ich bin die Liebe“) begann, weitergehend ein luziferisches Wesen entwickelte („Ich bin das Licht“), bis es Gott in seinem Größen-Wahn zerstören wollte, und seitdem Einfluss hat.
    Dieses Selbst-Bewusstsein sieht sich selbst im Extrem-Fall als Gott, bzw. nimmt Gott als Gegenüber überhaupt nicht mehr wahr, weil es nur noch sich selbst sehen will („Ich bin Gott“). Das ist die deutlichste Ausprägung der Ego-Zentrik. Es ist das „satanische Prinzip“.

    Es fällt auf, dass diese verkehrt ausgerichteten Bewusstseinshaltungen aus Urzeiten gegenwärtig immer stärker Resonanz bei immer mehr Menschen haben. Inwieweit die Betroffenen sich über die Auswirkungen ihrer Haltung bewusst sind, weiß ich nicht. Für mich steht jedoch fest, dass es lebenswichtig ist, alles Verkehrte und Richtige unseres Daseins möglichst genau zu kennen, damit wir uns bewusst für das Wahre entscheiden und das Falsche sein lassen.
    Es ist eine Entscheidung, die für den Einzelnen als auch für die Menschheit notwendig ist.

    „Trägheit“ und „Hochmut“ sind zwei bedeutsame Faktoren des „Falschen“. Sie gehören zu den „Sieben Todsünden“, die Mönche im fünften nachchristlichen Jahrhundert zusammen mit „Habgier“, „Wollust“, „Zorn““, „Völlerei“ und „Neid“ auflisteten, um Menschen mit ihren Schwächen, Lastern und Leidenschaften zu konfrontieren. Es war der Versuch, das Trennende vom „Guten und Wahren“
    zu einem Gesinnungswandel zu bewegen.
    Man kann heute nicht feststellen, dass sich in dieser Richtung Wesentliches vollzogen hat.
    Aus einigen Todsünden wurden sogar nach und nach akzeptierte Verhaltensweisen und Zivilisationsimpulse. Die Neubewertung der Laster zu nützlichen Eigenschaften oder gar Tugenden finden wir zuerst in der Renaissance, sie schritt in der Moderne weiter fort und ist bis heute nicht abgeschlossen.
    Die „Todsünden“ sind nicht weniger geworden. Ihre trennenden Wirkungen bestimmen unser Leben immer noch. Sie, bzw. wir, die sie leben, unterstützen damit ein Bewusstsein, dessen Ursprung weit zurückliegt. Unsere „Unterstützung“ vollzieht sich im Wesentlichen unbewusst. So stärken Menschen Trennendes, die selbst Gegenteiliges wollen und in ihrem Tun wahrnehmen.
    Im Nachfolgenden versuche ich Gründe für die menschliche Fehleinschätzung hinsichtlich des Phänomens „Trennung“ zu erklären und Möglichkeiten ihrer Überwindung zu nennen.

    Das Bewusstsein der „Trennung“ was bis zum Äußersten geht, hat seinen Ursprung in der Ablehnung von Gott als Schöpfer allen Seins. Es will vollkommen Unabhängig leben.
    Aus seinem Selbst heraus ist es jedoch nicht in der Lage etwas wirklich Neues außerhalb – und wirklich unabhängig – von der Göttlichen Schöpfung zu schaffen. Es kann nur das Vorhandene manipulativ und trügerisch als sein Eigenes anbieten. Der Selbst-Betrug ist ein wesentliches Merkmal des vollkommen falschen Selbstbewusstseins. Die Lüge ist der „Vater“ für alles, was aus diesem Sein entsteht.
    Da Gott den „freien Willen“ anerkennt und alles göttlich Geschaffene erhält, gibt Gott innerhalb seiner Ordnung des Daseins auch jedem eigensinnigen Selbst den angemessenen Raum, bis es durch die dort gemachten Erfahrungen – aus eigener Einsicht – die Umkehr zum wahren Selbst wieder machen will. Das vollkommen falsche Selbst-Bewusstsein hat aus dem Zerstörerischen gegenüber allem Göttlich Guten und Wahren seine „Hölle“ gemacht. Der Zustand den die vollkommene Ego-Zentrik in diesem selbst geschaffenen Bewusstseins-Raum erlebt, ist wie ein absolutes eingekapselt sein im Nichts.
    Es ist der vollkommene seelische Tod, den man erlebt. Diese Isolation verstärkt immer mehr die absolute Einsamkeit und den total leidvollen Zustand des „Nichts“. Der erlebte Schmerz ist so gewaltig, dass er außerhalb unseres jetzigen Empfinden ist.

    Alle die daran teilhatten (alles eigensinnige Bewusstsein in der gesamten Schöpfung was sich von Gott getrennt hat), scheuen sich unbewusst vor der erneuten Konfrontation mit den größtmöglichen schlimmen Erfahrungen im selbstverschuldeten Trauma. Das ist ein wesentlicher Punkt, dass auch wir als Betroffene, die Auswirkungen in uns noch nicht verarbeitet haben. So bleibt ein entscheidender Aspekt unseres Daseins verborgen. Ihn gilt es mit der Hilfe Gottes zu erfassen und zu heilen!

    Ohne sich dem tiefsitzenden Schmerz zu stellen, leidet die „gefallene Schöpfung“.
    Wir Menschen suchen und finden aus unserer Sicht zeitweilig (Schein-) Lösungen der Probleme.
    Psychologie und menschliche Therapie sind Teil gutgemeinter und ernsthafter heutiger Lösungsversuche. Daneben gibt es immer mehr unseriöse Angebote unter dem Deckmantel der „Liebe“, wo in zahlreichen Variationen „Erleuchtete“ Hilfe, Begleitung und Vermittlung auf dem „Heilsweg“ anbieten. „Engel“ und „Aufgestiegene Meister“ ergänzen die „liebevollen Erscheinungen“. Diese „Liebes-Angebote “ werden von immer mehr Menschen gerne angenommen.
    Angebot und Nachfrage bestimmen das Handeln, was das „Heil“ geschäftsmäßig vermarktet. Selbst „Jesus Christus“ wird benutzt, ohne dass der dahinterstehende Missbrauch auffällt.
    Die Parallelen zur „Geistigen Urmutter“ (siehe „Ich bin die Liebe“) sind offensichtlich.
    Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass wir nur mit der Hilfe Gottes – durch Seine Liebe und Sein Verständnis – Trennendes und das daraus resultierende Trauma letztendlich überwinden werden.
    Jede menschliche Hilfe stößt spätestens hier an unüberwindliche Grenzen. Wer anderes meint und vermittelt, behindert die einzig wahre Hilfe.
    Wir sollten endlich bereit sein, alles was Er uns anbietet, anzunehmen und gemeinschaftlich mitzutragen.

    Die Menschwerdung Gottes als Jesus Christus ist wesentlicher Teil dieser Göttlichen Hilfe. Dazu gehört weiterbringend alles daraus entstandene Erlöste.
    Warum tun wir uns so schwer, diese Hilfe anzunehmen?
    Was bestimmt unseren Widerstand?
    Neben dem bisher Beschriebenem sind weitere wesentliche Gründe, dass wir die subtilen Erscheinungen unsere Selbstsucht noch nicht bewusst erfassen, weil wir immer noch zu sehr von menschlich bestimmten Einsichten und Erkenntnissen begeistert sind. Gegenseitige Anerkennung von Vermittlern und Anhängern nähren den Stolz. Der Mensch sieht sich und seine Vorstellungen gern als Quelle. So bleibt man im Selbstgeschaffenem, hält daran begeistert fest und verbreitet das „kostbare Gut“.
    Wer so sucht und aus seinem Selbst-Bewusstsein schlüssige Antworten erhält, meint, das Wahre und Richtige gefunden zu haben. Er ist in seinem Tun und den daraus entstandenen Erfahrungen und Wissen befriedigt. Die Selbstgenügsamkeit verhindert Weitergehendes.
    Durch diesen Zustand interessiert man sich nicht mehr dafür, wie die wirkliche Beziehung zu Gott ist.
    Das trifft sogar auf Menschen zu, die eine Verbindung zum „Göttlichen“ haben wollen und aktiv an einer Intensivierung der Beziehung arbeiten, wenn diese zu einseitig aus dem eigenen Willen vollzogen wird.
    Auch hier besteht die Gefahr, dass „Menschliches“ und seine Vorstellungen zu sehr bestimmen. Anstelle eines unmittelbaren Dialogs mit dem „lebendigen Wort Gottes“, macht man sich selbst ein „Bild“. So wird verständlich, warum so unterschiedliche „Bilder“ existieren, die noch keine Einheit darstellen. Letztendlich ist auch hier die Hinwendung an das Selbst größer, als die selbstlose Hinwendung zum Geist Gottes. So „betet“ man Gott noch nicht angemessen „im Geist und in der Wahrheit“ an. Man bleibt unangemessen im eigensinnigen Geist und in der Unklarheit.

    Im „Kampf zwischen Licht und Finsternis“ ist das „Festhalten“ und „Verbreiten“ von mittelbaren Äußerungen (Geschriebenes und Geäußertes) – auch wenn es der Wahrheit entspricht – der mit am schwierigsten durchschaubare Fallstrick. Denn wenn man dabei stehen bleibt, weil man glaubt die „Wahrheit“ erfasst zu haben, verhindert man, seinen seelisch geistigen Zustand von Gott persönlich überprüfen zu lassen. Damit erfährt man noch nicht die unmittelbare Aufklärung durch Seinen Geist.
    Die entscheidende Frage: „Wer bin ich aus der Sicht Gottes?“ wird so nicht wirklich gestellt und beantwortet!
    Meine Seele will mit dieser Haltung den Eigensinn nicht vollkommen sein lassen. Mein trügerisches Selbst und seine „blinden Flecken“ versuchen, den möglichen und notwendigen Dialog im Angesicht Gottes zu verhindern.
    Die Lösung ist die Überwindung dieses entscheidenden Widerstandes.
    Jeder der die „Nachfolge“ durch und mit Jesus Christus ernsthaft anstrebt, sollte zuerst seinen eigenen Widerstand erkennen und überwinden, anstatt seine Bemühungen in die Verbreitung von „Gutem und Wahrem“ als wesentliche Aufgabe zu sehen.
    Allein aus uns heraus haben wir weder die Fähigkeiten der Erkenntnis, noch können wir aus eigener Kraft Lösungen erzielen.

    Die Erfahrung zeigt, dass der Mensch in seinem Eigensinn meint, er kann einschätzen („Guter Wille“/ Vorstellungen), was „er ist“. Diese Einschätzung bleibt solange Eigensinniges vorhanden ist, jedoch ungenau, falsch und trügerisch.
    Buddha erkannte im „Eigensinn“ die falsche Ausrichtung, die deshalb aufzulösen ist. Er verharrte jedoch nur bei (dem Versuch) der Auflösung (meditierend sitzen), ohne weitergehend sich selbst mit der wahren Quelle des Lebens zu verbinden und aus ihr heraus am Sein teilzunehmen. Das ist ein Zustand im begrenzten Selbstbewusstsein, was sein Selbst gegenüber Gott verschließt. So ist Buddha und alle mit seiner Haltung geistig Verbundenen trotz (und wegen Selbstüberschätzung) Bemühungen ein Opfer und Mit-Täter des manipulierenden „Eigensinns“ der „Mutter aller Übel“.

    Der Ursprung des „Übels“ will sich selbst nicht als Verantwortlicher bekennen. Genauso wenig will er darauf aufmerksam gemacht werden. Er benutzt Gleichgesinnte, um seine Haltung und Position bewahren zu können. Es sind toxische Bindungen im „Eigensinn“.
    Die größte Gefahr für dieses Bewusstsein ist das „Selbstlose“ im Menschen, was dem wahren Leben („Ebenbildliche“ Verbindung in der Gemeinschaft mit Gott) Raum zur Entfaltung geben möchten. Deshalb versucht das „Eigensinnige“ möglichst diesem Bestreben die „Luft“ zur Ausdehnung zu nehmen. Dies gelingt jedoch nur solange, wie seine Manipulationen (trennende) Wirkungen erzeugen.
    Zur Lösung gehört als erstes die Wahrnehmung, dass in uns „Eigensinniges“ vorhanden ist. Wenn ich das verändern möchte zugunsten liebevoller Gemeinschaft, gilt es zu erfassen, dass wir nur durch die unmittelbare Verbindung mit dem Geist Gottes wirkliche Aufklärung und Verbesserung unseres seelisch geistigen Zustands erfahren können. Auf dem Weg zu dieser lebensentscheidenden Einsicht können mittelbar geäußerte Wahrheiten und Erkenntnisse uns unterstützen dem Wahren und Guten weiter zu folgen. Letztendlich muss jedoch das „Mittelbare“ zugunsten des „Unmittelbaren“ weichen (siehe u.a. Johannes der Täufer: „Er (Jesus Christus) muss immer weiter wachsen und ich immer weiter abnehmen“ Johannes 3:30).
    In der unmittelbaren Beziehung zum Christusbewusstsein wird sich zeigen, wie weit wir unser Selbst-Bild überprüfen lassen. Dazu gehört im Wesentlichen, alle falsche Vorstellungen und alles was man bedeckt und versteckt lassen will, im Licht Gottes offenbar werden zu lassen.
    Die Reaktionen zeigen anschließend, wie weitgehend man das Gezeigte wirklich wandelt, indem man alles falsch ausgerichtete Eigenwillige überwindet zugunsten einem Leben, was im Sinne Gottes sich bewegt und vollzogen wird.
    Nichts Anderes als Jesus Christus, das „Licht der Welt“, Sein Werk als „Lamm Gottes“, kann für uns die Grundlage der Lösung und Befreiung aus unseren Mangelerscheinungen sein. Je mehr wir Seine Bedeutung vom Herzen liebevoll erfassen, desto besser können wir vertrauensvoll Sein Heil aufnehmen und in uns wirken lassen. Dann nehmen wir wieder teil an der ursprünglichen Gemeinschaft von ebenbildlich Geschaffenen.

    1. Danke für diese ausführliche Darstellung deiner Sichtweise! Du hast viele wichtige Punkte gebracht, auf die ich in meiner Fortsetzung eingehen will. Vielen lieben Dank dir!

  2. Das Böse – Kommentar zu Helmut Heider

    @ Helmut Heider Der Aufsatz ist in sich stringent, wohl durchdacht. Der Hintergrund vom Bösen in Form von Luzifer, Lust und Eitelkeit als Egozentrismus, und Ahriman, Hass und Neid im Verhältnis zum Nächsten ist hervorragend herausgearbeitet. Der heutige Mensch kann nur wieder gesunden, sich vom Bösen abheben, wenn er die aus dem falschen Selbst heraus verlassene Verbindung zu Gott, die durchtrennte Rückbindung zu unserem Ursprung, das mit Gott verbundene Selbst wieder aufnimmt. Ich stimme Ihnen im Grunde völlig zu. Das ist unser Grundproblem und der einzige Weg das Böse zu besiegen. Trotzdem habe ich Einwände, was Ihre Schuldzuweisung bezüglich der „Abgefallenen/Sünder“ betrifft.
    Denn einerseits ist unser Selbst-Bewusstsein immer abhängig von der Sozialisation, in der wir aufgewachsen sind, in der wir leben und sie mit-gestalten. Ohne Rückbezüge zu unserer Gesellschaft kann nicht viel gestaltet und erkannt werden.
    Andererseits sind wir einer allgemeinen Bewusstseinsentwicklung unterworfen, die es schon seit vorzeitlicher Geschichte gibt. Allein in philosophischer Zeit, die noch vor Jesus´ Lebenszeit beginnt, ist eine Evolution zu sehen, die den einzelnen Menschen immer stärker aus dem gemeinsamen-göttlichen Verband herauslöst um in die Individuation zu kommen. Rudolf Steiner beschreibt diesen Vorgang sehr ausführlich in seiner Geschichte der Philosophie.
    Vielleicht liegt der Unterschied unserer Sichtweisen darin, dass Sie den Sündenfall, das Essen vom Baum der Erkenntnis, als falsches Abbiegen in der Menschheitsgeschichte wahrnehmen.
    Ich mache diesen Akt eher als Weiterentwicklung auf dem Weg in das universelle Bewusstsein aus. Dem Zeitalter der Philosophie liegt das Denken zugrunde, welches in der Rationalität seit der Renaissance zunehmend im Materiellen misst, zerteilt und spaltet, und dadurch sich den Weg zum Geistigen selbst verbaut. Dem kann sich der heutige Mensch nicht entziehen. Er wird zum Egozentriker, zum Narzissten. Gerade die heutige Zeit macht deutlich, dass aufgrund des nur noch messbaren Materiellen die Atomisierung und Abflachung aller Bewusstseinsinhalte massiv zugenommen hat. Durch Digitalisierung, Globalisierung gibt es praktisch nur noch eine Weltkultur, die aufgrund der vielfältigen ehemals eigenständigen Kulturen zu einem Niedergang des Rationalen und Verflachung des Geistigen führt. Wie wir heute erleben müssen, zählt kein rationaler Gedanke mehr im Wertegefüge. Wir leben postfaktisch. Staunend erleben wir eine Corona-Krise, begreifen wir uns in einem beginnenden womöglich atomaren Weltkrieg, entstehen neue Sprachvorschriften, somit Denkvorschriften, sehen uns einer durchgegenderten Welt gegenüber. Alle traditionellen Werte weichen noch unausgegorenen neuen Werten, die durchaus für die Zukunft richtungweisend sind.
    Weil wir mittlerweile alle so vereinzelt sind, es nicht ertragen können, keinen Ausweg mehr sehen, versuchen wir uns mit jeweils einem gebotenen Narrativ zu verbinden, welches einem anderen vollkommen widerspricht, uns damit nur noch mehr spalten. Daraus geriert sich eine „Elite“, die nun meint, für alle denken zu können und zu müssen.
    Das absolut Böse möchte übernehmen.
    Und doch macht es in meinem Weltbild Sinn, die Wirklichkeit als eine ständige sich evolvierende Bewusstseinsentwicklung zu sehen, die notgedrungen über die vollständige Abtrennung von Gott erst wieder zu ihm zurückführt. Vielleicht stehen wir dicht vor diesem emergenten Quantensprung, der uns wieder ganz zum Ursprung, zu Gott zurückführen wird.
    Erst wenn das absolut Böse im Begriff steht die Herrschaft ganz zu übernehmen, kommt die Gnade Gottes und wir können die Gegenwart Christus´ erkennen. Der Dualismus wird aufgehoben sein. Jeder von uns wird Subjekt und Objekt ohne Gegenüber zugleich sein. Dies wird das „Naschen“ vom Baum des Lebens sein – das integrale Bewusstsein.
    Bis dieses dann in neuen Äonen irgendwann wieder defizient sein wird …. .

  3. Liebe Sandra,
    wie ich sehe, hast du deinen Blog „aufgefrischt!“ Sehr schön. Nun zum Thema:

    Das Böse hat seine Wurzel un unserer Identifikation mit unserer Geschöpflichkeit, genauer mit unserem Leib. Durch diesen sind wir nicht nur von der ganzen Schöpfung abhängig, sondern inmitten vielerlei Geschöpfe, die alle „das ihre“ suchen und so zur Bedrohung anderer Geschöpfe werden. Eine Befreiung aus dieser Situation gibt es nur, wenn wir uns selbst unserer wahren Natur, die ewig ist, bewusst werden und so das Glück in uns wissen und nicht mehr im Äußeren suchen, aber auch die Abhängigkeiten vom Äußeren immer mehr überwinden können.
    Näheres dazu: https://www.academia.edu/47776276/Ursprung_und_Ziel_Wie_die_Evolution_weitergeht_

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